Meine Geschichte mit einem Alkoholiker

Meine Geschichte mit einem Alkoholiker

 

Grüß Gott, ich heiße Elisabeth und bin Al-Anon. Der Name Al-Anon Familiengruppen kommt aus dem Englischen von Alcoholics Anonymous Family Groups.

 

Alkoholismus ist eine Familienkrankheit, das habe ich erst in Al-Anon erkannt. Dabei hätte ich es schon früher erkennen können, weil mir mein Mann früh erzählte, dass sein Vater Trinker war, der mit 46 Jahren an dieser Sucht gestorben ist. Damals hatte ich keine Ahnung von den Zusammenhängen und dass Kinder aus alkoholkranken Familien auch häufig von Suchterkrankungen betroffen sind.

 

Jedenfalls machte mir am rosaroten Beginn unserer Liebe sein bereits beträchtlicher Alkoholkonsum keine Sorgen. Auch die überaus witzig dargestellten Berichte von seinen jugendlichen Alkoholexzessen, gaben mir nicht zu denken, ich fand das nur lustig.

 

Aber zunehmend wurde seine Trinkerei zu einem Problem in der Beziehung und ich versuchte immer verbissener, es in den Griff zu bekommen und meinen Mann zu ändern.

 

Der Gestank nach Alkohol im Schlafzimmer war oft unerträglich für mich, mein Mann log ständig auch bei Sachen, die mit dem Trinken gar nichts zu tun hatten und ich konnte kaum noch Termine ausmachen, weil sein Zustand zum entsprechenden Zeitpunkt nicht berechenbar war. Die nötigen Absagen und sonstigen Probleme hatten zur Folge, dass auch ich ständig log - ich dachte damals, ich müsse es tun, um uns und ihn zu schützen.

 

Ich bekam auch immer mehr Angst um seinen Job und unsere Existenz. Ich zwang ihn zu einer Therapie, die aber gar nichts nutzte, weil die Psychotherapeutin ihm drei Jahre lang einredete, eh kein Alkoholiker zu sein. Das weiß ich deshalb, weil ich sie in einer besonders verzweifelten Situation anrief und wütend beschimpfte und ich diese unglaubliche Aussage meines Mannes bestätigt fand. Abgesehen von den Kosten (für uns und die Krankenkasse!) war das Ganze ein Wahnsinn sondergleichen.

 

Ich übernahm immer mehr Verantwortung in verschiedenen Lebensbereichen - und das ist eine der Facetten der Familienkrankheit. Dass nämlich die Umgebung mehr oder weniger freiwillig anfängt, nicht mehr das eigene Leben zu leben und die eigene Verantwortung wahrzunehmen, sondern die des Alkoholkranken in der Familie.

 

Ein klassisches Beispiel ist, beim Arbeitgeber anzurufen und ihn krank zu melden, wenn er zu betrunken für die Arbeit ist oder gerade seinen Vollrausch vom Vortag ausschläft. In Al-Anon habe ich dann gelernt, dass ein erwachsener Mensch, der sich betrinken und Alkohol beschaffen kann, auch selbst beim Arbeitgeber anrufen und sich krankmelden kann. Oder auch nicht, aber diese Entscheidung ihm selbst zu überlassen. Jedenfalls nicht für ihn zu lügen.

 

Diese Verhaltensänderungen haben mir am Anfang entsetzliche Angst gemacht, weil ich noch mehr befürchten musste, dass er seinen Job verliert. Außerdem hat mein Mann mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln versucht, mich wieder ins alte Verhaltensmuster zu zwingen.

 

Er drohte mit allem Möglichen und war so verletzend, wie nur ein Partner sein kann, der die Schwachstellen des Anderen genau kennt. Aber in Al-Anon habe ich in den wöchentlich besuchten Meetings die Bestärkung bekommen, einen anderen Weg einzuschlagen und mein Verhalten immer mehr in eine gesunde Richtung zu ändern.

 

Nicht mehr anrufen und entschuldigen, keinen Alkohol mehr heimtragen, und generell dem Anderen die Verantwortung für sein Leben und seine Handlungen zurückzugeben. Und siehe da, langsam - sehr langsam - begann er auch selbst mit einer Veränderung und er konnte trocken werden und wurde Mitglied von AA.

 

Er hat nie mehr einen Tropfen Alkohol angerührt. Ich führe das zu einem wesentlichen Teil auf meine in Al-Anon erworbene andere Einstellung zur Alkoholkrankheit und den dadurch veränderten Verhaltensmustern zurück, die ich im Umgang mit meinem Mann an den Tag legte. Und ich bin froh, auf diesem Weg weiterzugehen, denn die Gelassenheit und vieles andere, das man bei Al-Anon lernt, kann ich sowohl im Beruf, als auch in allen privaten Beziehungen wunderbar brauchen.

 

Ich habe heuer im August den 15. Jahrestag meiner Zughörigkeit zu Al-Anon gefeiert.