Wie mich die Alkoholprobleme in der Arbeit zu Al-Anon brachten

Wie mich die Alkoholprobleme in der Arbeit zu Al-Anon brachten

 

In meiner Arbeit gibt es einige Alkoholiker. Ich versuchte mich einige Zeit mit dem Alkohol in der Arbeit zu arrangieren, sah weg bzw. trank das eine oder andere Glas mit, um auch dazu zu gehören bzw. um mich von den Anderen angenommen zu fühlen. Meine Arbeitskollegen kamen oft angeheitert in den Dienst, die Kommunikation mit ihnen bzw. Dienstaufteilung war dann besonders schwer. Mich verunsicherte dies jedes Mal extrem, auch die Tatsache, dass ich nie wusste ob während meiner Arbeitszeit eine Flasche Wein auf den Tisch gestellt wird und es wieder einmal feucht fröhlich hergeht.

 

Nach einem Jahr des Schweigens und Hinnehmens bzw. Wegschauens und Mitmachens, wurde ich sehr wütend als ich in die Arbeit kam, alle beisammensaßen, tranken und ein ziemliches Durcheinander herrschte. Ich wollte nicht länger zuschauen bzw. überlegte, ob ich irgendetwas unternehmen könnte. Mir fiel ein, dass es ein Leitbild gibt und dort zu lesen ist, dass Alkohol während der Arbeitszeit nichts verloren hat. Ich reagierte auf die Situation, indem ich zur Vorgesetzten ging, mich auf das Leitbild berief und sie bat sie möge für die Einhaltung des Alkoholverbotes während der Arbeitszeit sorgen. Die Leitung war schockiert und wollte Namen wissen - ich nannte die Namen aber verschwieg nicht, dass ich das Eine oder Andere Glas mitgetrunken habe. Daraufhin gab es einige Sanktionen, die erwähnten Personen wurden zu einen Gespräch einzeln vorgeladen und ihnen mit Rauswurf gedroht, wenn sie ihr Verhalten nicht ändern würden bzw. ihr Problem aktiv angehen würden, indem sie selbst Hilfe in Anspruch nehmen.

 

Ich selbst wollte anonym bleiben, da ich Angst vor Mobbing hatte. Doch die Alkoholiker in der Arbeit beschuldigten daraufhin jeden, mit dem ich wieder nicht umgehen konnte. Schließlich stand ich dazu und outete mich im Dienstbuch und legte Folder auf. Ich war sehr erstaunt, als diese Seite im Dienstbuch den Tag darauf fehlte bzw. alle Folder weg waren.

 

Zu diesem Zeitpunkt nahm ich bereits selbst Hilfe in Anspruch. Ich informierte mich beim Dachverband für Selbsthilfegruppen und die Auskunft gebende Person gab mir eine Telefonnummer von den Anonymen Alkoholikern bekannt. Ich rief sofort an und bekam jede Menge Rückenstärkung, vor allem aber half mir der Hinweis auf mich selbst zu schauen und die Alkoholiker in meiner Arbeit zu verstehen bzw. sie nicht als meine Feinde anzusehen, nur weil sie ein Alkoholproblem haben. Diese in mir bereits ziemlich festgefahrene negative Einstellung über Alkoholismus aufzugeben fiel mir so gar nicht leicht. Außerdem empfahl mir meine Sponsorin zu Al-Anon zu gehen. Nach vielen Telefonaten ging ich dann endlich hin und war so froh nicht mehr alleine zu sein.

 

In der Arbeit spitzte sich die Situation immer weiter zu, ich war einer offenen Feindseligkeit ausgesetzt, niemand wollte mehr etwas mit mir zu tun haben, auch die „Gesunden“ machten sich rar. Ich übte mich darin alles willkommen zu heißen bzw. mir meine Machtlosigkeit immer wieder aufs Neue einzugestehen - es gelang mir nicht immer. Ich verlor an Gewicht und nahm mir aus heutiger Sicht alles viel zu viel zu Herzen. Eine Arbeitskollegin stellte mich zusammen mit einem Zweiten zur Rede. Sie fragten mich was ich denn gegen sie hätte, warum ich dies getan hätte, sie wollten mich mehr und mehr in eine Diskussion verwickeln. Dank des Gelassenheitsspruches und der positiven Ermutigung meiner AA-Sponsorin konnte ich in Ruhe zuhören und nahm zu ihren Vorwürfen nicht Stellung, sondern sagte nur es hätte jeder das Recht sich über etwas aufzuregen das seiner Meinung nach nicht richtig läuft und sie könnten dies ebenso tun. Später wurde ich von der Leiterin und Gruppenleiterin mit der Kollegin zusammen zu einem Gespräch vorgeladen sie meinten, dass ich eigentlich die Alkoholikerin sei, da ich eine Flasche gekauft hätte und sie in den Schrank gegeben habe. Ich sagte daraufhin, dass ich nie einen Hehl daraus gemacht habe nicht selber auch mitgetrunken zu haben - aber davon wollten meine Vorgesetzten nichts mehr gewusst haben. Die Gruppenleiterin meinte, ihre Eltern haben getrunken und sie möchte mit diesem Thema nicht mehr konfrontiert werden. Ich reagierte nicht auf diese Äußerungen und konnte dank Al-Anon gut bei mir bleiben und übte mich im Zuhören.

 

Ich fühlte mich aber nach wie vor verantwortlich, ließ einige Meetings aus und mein Gefühlsleben und meine Fähigkeit mein Leben zu meistern wurde stark in Mitleidenschaft gezogen. Auf dem Weg zum Meeting übersah ich einen anderen Autofahrer, es kam zur Kollision, dabei wurde ich mit großer Wucht in den Gurt geschleudert. Da wurde mir klar, dass dies eine Warnung meiner höheren Macht war mich nicht ständig in seine Angelegenheiten zu mischen. Ich fing endlich an zu kapitulieren und mein Leben fing an sich in eine positivere Richtung zu ändern.

 

Ich besuche jetzt sehr regelmäßig die Meetings und arbeite in den Schritten. Nach wie vor bin ich in derselben Arbeit, ein Kollege ist daraufhin zu den AA‘s gegangen, ein anderer gegangen worden bzw. einige haben den Arbeitsplatz gewechselt - offensichtlich wurde es ihnen zu unbequem. Durch Al-Anon konnte ich erkennen, dass ich aus einer alkoholkranken Familie komme. Das Programm in allen meinen Lebenslagen anzuwenden macht mir besonders Freude und ich bin immer wieder erstaunt wie hilfreich und wirksam es ist.

 

Al-Anon Gabi